Die Mär vom "Funkenlöschkondensator" bei der Unterbrecherzündung

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  • Da ich gerade Probleme mit meiner Zündung habe möchte mal bei dieser Gelegenheit mit der Mär des "Funkenlöschkondensators" bei der Unterbrecherzündung aufräumen:


    Dieser Kondensator dient in erster Line für einen hohen Stromfluß im Zündfunken (= hohe "Brennenergie") und nur sekundär um einen Kontaktabbrand zu verhindern !


    Zunächst einmal die grundsätzliche Wirkungsweise einer Unterbrechungszündung:


    Zuerst wird die Ladewicklung der Lima auf beiden Seiten gegen Masse "Kurzgeschlossen" (Unterbrecher geschlossen gegen Masse)
    Wenn nun ein Magnet der Lima "vorbeisaust" fließt dabei der maximale Strom durch die kurz geschlossene Wicklung ("Kurzschlußstrom")
    Der hohe Stromfluß erzeugt in der Ladewicklung dabei ein sehr hohes Magnetfeld, welches quasi im Eisenkern "gepuffert" (=gespeichert) wird.
    Reisst währenddessen der Unterbrecher auf - unterbricht also den gerade kreiselnden "Kurzschlußstrom" - bricht das Magnetfeld sehr schnell zusammen und erzeugt dabei einen hohen Spannungsimpuls (Induktionsspannung).
    Dieser an sich schon hohe Spannungsimpuls (ungefähr so 50-100V) wird danach in der Zündspule nochmals hochtransformiert -> es ergibt sich ein kurzer Spannungsstoß (Blitz) von vielen kV ( 5.000- 35.000V)
    Diese hohe Spannung reicht aus um zwischen den Zündkerzenelektroden kurzzeitig die Luft zu Ionisiern und damit einen Leitfähigen Ionenkanal (Plasmakanal) zu bilden


    Bis dahin wäre der Kondensator noch ohne Bedeutung.


    Da aber hier viele Spulen bei denen sich schnell Magnetfelder aufbauen beteiligt sind kommt es durch Selbstinduktion zu Rückkoppelungen auf den Eingangskreis inklusive Unterbrecherkontakt bis hin zur Ladespule
    Die dabei auftretenden Spannungsspitzen ( einige 100 V) reichen oft aus um beim bereits geöffneten Unterbrecherkontakt nochmal einen leitfähigen Ionenkanal (Plasmakanal) zu bilden.
    Da die Ladespule ja immer noch weiterladen will (der Magnet ist noch nicht ganz vorbeigesaust) kann nun ein kräftiger Strom über den Plasmakanal am Unterbrecher fleißen der sofort wieder zusammenbricht (weil ja wieder quasi Kurzschluß)
    -> es entsteht ein "Feuer" am Unterbrecherkontakt und der Strom der Ladespule fließt darüber ab.
    Ist blöd, weil:
    a) der Unterbrecher quasi wie beim Lichtbogenschweissen belastet wird und
    b) die verpuffende Energie am feuernden Unterbrecherkontakt sicherlich in Form von zusätzlichen Strom für den eigentlichen Zündfunken besser zu verwenden wäre.


    Den feuernden Unterbrecherkontakt könnte man ja eigentlich auch genausogut mit einer Sperrdiode schützen, dann wäre der Abbrand auch nicht sehr groß, aber die Zündspule müsste dann mit dem auskommen was sie am Anfang kurz bekommen hatte
    Oder üblciherweise mit einem RC-Glied, also Kondensator und Widerstand in Reihe (=Boucherot-Glied oder Snubber; dem eigentlichen "Funkenlöschglied") und sicherlich nicht nur mit einem einfachen Kondensator alleine.
    -> in jedem Fall bliebe leider nur ein schwacher Zündfunke vom Anfangsimpuls übrig.


    Wenn man jedoch die Primärwicklung der Zündspule mittels eines Kondensators so aufeinander abstimmt daß beide einen perfekten LC-Schwingkreis bilden (Oszillator) dann würden das solange in Eigenresonanz weiterschwingen wie die Ladespule noch Strom liefert (solange noch der Rotor-Magnet vorbeisaust) und Rückwirkungen aus dem Sekundärkeis im Primärkreis würden noch zusätzlich die Sinusschwingungen verstärken statt sich am Unterbrecher (oder in der Ladespule !! ) mit irgendwelchen unnützten Überschlägen zu vergeuden


    Somit ergibt sich folgrender Verlauf:


    1) Unterbrecher geschlossen, Magnet vom Rotor beginnt an der Ladespule vorbeizusausen: Ladespule "kurzgeschlossen"; maximaler Stromfluß in der Spulen
    2) Unterbrecher "reisst auf": Stromfluß schlagartig unterbrochen; es wird eine Induktionsspannung erzeugt welche über die nun erreichbare Primärwicklung der Zündspule "abfließen" kann und über die Sekundärspule bis auf einige kV hochtransformiert wird
    3) die "Hochspannug" die nun ganz kurz am Zündkabel anliegt ionisiert den Luftkanal zwischen den Zündelektroden, es entsteht ein leitfähiges (niederohmiges) Plasma
    4) Da die Ladespule ja nun weiter Strom erzeugt, welcher nun über die Primärwicklung der Zündspule (statt wie vorher des Unterbrechers) weiterfließen kann wird dieser auch gleich mit hochtransformiert, ist aber natürlich nun deutlich niedriger als der erste Impuls durch das Aufreissen des Unterbrechers.
    Da auf der Sekundärseite nun quasi ein Kurzschluß über die Zündkerze und dem gerade eben gebildeten Plasmakanal vorliegt kann nun auch dort ein "Kurzschlußstrom" weiterfließen, die eigentliche Energie des Zündfunkens !
    Hierbei gibt es wieder eine Rückwirkung auf den Primärkreis und könnte dort ganz kurz zu einem Zusammenbruch führen. Damit das verhindert wird ist der Kondensator da: er puffert nun zu schnelle Spannungsänderungen und bei richtiger Abstimmung bringt er diese wechselseitige Wirkung zwischen Ladespule, Primärspule und Sekundärspule in Eigenresonanz (also schöne Sinusschwingungen) womit dann die gesmmte Energie optimal in der Zündspule "transformiert" werden kann und ein schönes; energiereiches Abbrennen des "gezündeten Lichtbogens" in der Zündkerze ergibt.


    Mein Fazit:


    Ein richtig dimensionierter Kondensator lässt die meiste Leistung in der Zündspule übertragen (blauer Funke) und verhindert als "Nebeneffekt" noch einen unnötigen Kontaktabbrand.
    Da im Fall der "Eigenresonanz" ein maximaler Stromfluß entsteht sollte der Kondensator möglichst dicke und kurze Anschlußdrähte haben.


    Wer sich mit Plasmaschweissen/WIG auskennt wird sicherlich sofort die Parallelen erkennen:
    Zuerst "Zünden"; danach "schweissen"
    Das Benzingemisch wird dabei erst durch den energiereichen, heissen Schweisstrom entzündet; nicht durch die Hochspannung selber !


    Meine Vermutung:


    Da die eigentliche Oszillation zwischen Primärspule und Kondensator stattfindet (diese bilden ja den LC-Schwingkreis) und die Ladespule eigentlich nur eine Pumpe darstellt die weiter Energie in den Schwingrkeis reinpumpt sollte der Kondensator m.E. so nahe wie möglich an der Primärspule sitzen
    Am besten vermutlich direkt zwischen den beiden Anschlüssen der Zündspule
    ggf. könnte man noch zusätzlich einen kleinen "Funkentstörkondensator" (Keramik, ein paar nF) oder noch besser einen Varistor (irgendwas > 250V) am Unterbrecher direkt anbringen um den Unterbrecher optimal zu schonen.


    Zusammenfassung:
    Der Kondensator dient in erster Linie dazu einen "kräftigen" Lichtbogen aufrecht zu erhalten, nachdem die Kerze gezündet hat und erst in 2ter Linie dazu den Abbrand am Unterbrecher zu verringern
    Daher ist der Kondensator hier keinesfalls ein "Funkenlöschkondensator"



    Weiter über den Tellerrand geblickt:


    Würde man den Kondensator direkt aufladen und dann mittels Schaltelement über eine Zündspule primärseitig kurzschließen dann hat man den gleichen Effekt:
    Hohe Anfangspannungsspitze und danach einen Schwingkreis der langsam über die Zündkerze seine Energie als Stromfuß "entlädt" : Lichtbogen zünden und danach Lichtbogen brennen lassen
    -> genau das ist das Prinzip einer CDI (oder HKZ bei BMW)


    So, nun genug geklugscheissert :D

    2 Mal editiert, zuletzt von Lothi ()

  • Danke für die ausführliche Erklärung. Deckt sich soweit auch mit meinen Kenntnissen.
    Aber (jaja, ich Schelm :D), ich glaube nicht, daß hier viele Leute das so falsch verstanden haben. Denn wenn der Kondensator hops geht, fällt i.d.R. zuerst die Zündung aus, bevor der Kontakt abbrennt.

    Mein Leben ist zu kurz zum Warmfahren

  • Hi Blaumeise


    Zitat

    fällt i.d.R. zuerst die Zündung aus


    Entspricht nicht meinen Erfahrungen:
    Wenn der Kondensator seine Kapazität verliert (Alterung) dann beginnt der Unterbrecher langam imemr mehr zu feuern während der Zündfunken noch lange Zeit scheinbar gut ist und später erst lagsam & allmählich immer schwächer wird und immer mehr Spannungsüberschläge bekommt.
    Daher ist der Unterbrecher dann schon sehr deutlich runtergebrannt wenn man langsam merkt "irgendwas" mit der Zündung nicht mehr so ganz stimmt.



    Wenn so ein Kondensator direkt in der Lima sitzt altert und verschleißt er durch die Motorwärme natürlich deutlich schneller.
    Eigentlich hat er auch da bei aussenliegender Zündspule nix mehr verloren und ist vermutlich einfach ein Relikt aus den Zeiten der Innenliegender Zündspule und ist aus Unwissenheit leider noch bis heute dort geblieben, da
    immer noch zu viele denken daß das ein "Funkenlöschkondensator" wäre und daher so nahe wie möglich an den Unterbrecher ran sollte. Nein, das Ding muß einen LC- Schwingkreis mit der Primärspule bilden und sollte dort so nahe wie möglich sein !


    Was ich auch aufzeigen will:
    Der Kondensatorwert ist abhängig vom verbauten Zündspulentyp und da ist auch noch sehr viel individuelles Optimierungspotential !
    Wenn beide optimal aufeinander abgestimmt sind gibt es so gut wie keinerlei Verschleiß an den Kontakten, lediglich das Gleitklötzchen schleift sich vieleicht irgendwann mal runter ( wenn zuwenig geölt) nach vielen vielen 10k km ab
    Ich hatte früher Moppeds mit SLM (allerdings keine Simsen) , ersten Unterbrecher und teilweise schon > 60t km , wobei am Unterbrecher noch immer kein Verschleiß zu sehen war
    Richtig dimensioniert kann das eine Ewigkeit halten :)

    Einmal editiert, zuletzt von Lothi ()

  • Was wäre denn der richtig dimensionerter Kapazitätswert? Meiner Erinnerung nach hat der in der Simson 220nF. Ein Wert der mir schon öfter an Fahrzeugen aller Art untergekommen ist, genaugenommen habe weder in (alten) Autos oder Mopeds je einen andere Kapazität gesehen. Zufall?


    Deiner Ausführung nach müsste der für jeden Fahrzeugtyp (etwas) anders sein.

  • Hi Makersting


    die meisten Zündspulen haben ähnliche Werte der Primärwicklung (Induktivität und Spulenwiderstand)
    Daher wohl auch die "üblichen" 220 nF
    Beispielsweise verwende ich an der Simme gerne die alten 12V Autozündspulen von Bosch (Käfer & Golf/Audi erste Generation).
    Die können 1:1 getauscht werden und laufen/trocknen auch nach Jahrzehnten nicht aus, im Gegensatz zu den Ölgefüllten DDR-Spulen.
    Allerdings erinnere ich mich noch sehr dunkel irgendwo in den 70iger Jahren an "PowerBoost"-Zündspulen die nur vernünftig liefen wenn auch der Kondensator mit gewechselt wurde.
    Welcher Kapazitätswert also "der richtige" wäre kann ich auch nicht sagen.
    Interessant wäre es wenn "jemand" mal herumprobieren würde, sagen wir mit mal mit 150nF anfangen und dann sukzessive jeweils 22nF oder 47nF parallel hinzuschalten würde und dabei dann jeweils das Zündergebniss mit beobachten würde.


    Richtig dimensioniert wäre der Wert wenn der Zündfunke am "heissesten" wäre bei gleichzeitig ausbleibender Funkenbildung am Unterbrecher.


    Aber dazu müsste man die Funkenstrecke unter Kompression messen können :-/

  • Ölgefüllte DDR-Spulen?! Das höre/lese ich heute das erste Mal :D Dann waren meine also nie kaputt, sondern sind nur ausgetrocknet? Aber wo ist das Öl denn hin? So warm waren sie nun auch nicht, dass es rückstandsfrei hätte entfleuchen können 8| Sorry, aber das kann ich einfach nicht so richtig glauben...


    Gruss


    Mutschy

  • Hatte mal eine Zündspule zerlegt


    Ist mit Kunstharz vergossen

    mfg Philos :whistling:


    Wir müssen unseren Teil der Verantwortung für das, was geschieht, und für das, was unterbleibt, aus der öffentlichen Hand in die eigenen Hände zurücknehmen.
    Erich Kästner

  • Hi
    Hatte auch schon mal ein paar von den AluDingern zerlegt. War tatsächlich Öl drin. Allerdings scheint es da auch verschiedene Versionen zu geben. Möglicherweise haben die Nachbauten bereits Kunstharz drin...
    Öl ist halt billiger und hätte noch die Vorteile einer besseren Kühlung und daß auch bei Haarrissen des Windungslacks weiterhin noch Isolation gewährleistet ist.

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